Dienstag, 9. Oktober 2012

Eine schöne Welt

Willkommen in einer Welt,
in der Bäume blühen.
Manchmal sieht man auch Vögel am Himmel fliegen.
Eine Welt, in der Menschen atmen und Autos über Straßen fahren.
Eine schöne Welt, eine Welt voller Gefahren.
Ein aufgedreht fröhliches Intro, wie man es von der deutschen Liebes-Rap-Band halt so erwartet. Die Welt ist schön, trotz Gefahren. Oder ist die Welt wegen der Gefahren schön? Egal, schön ist sie.
Und geil alter, diese Tua-typischen Beats machen einfach so Bock auf Popmusik! Halt stop, wir sind doch noch im Rap oder? Dieses komische Intro erinnert teilweise stark an Der Herr der Dinge vom großartigen Prinz Pi, vor allem wenn die Erzählerstimme ihren Part vorliest, aber auch das gehört dazu. Und wer Prinz Pi nicht als Rapper bezeichnet, hat es nicht verdient über diese großartige Musik zu urteilen.



Aber Die Orsons sind schon immer ihre eigene Schiene und so darf auch in diesem kurzen Track eine absolute Ohrwurmhook nicht fehlen - der einzig wahre Raop (ja, der Begriff ist von dem gleichnamigen und grottigen Albums eines Pandamanns in den Dreck gezogen worden). Der Teilbegriff Rap passt viel besser zu Die Orsons, auch aufgrund der unglaublich guten Beats des Beat-Gottes Tua.

Stürzen wir uns also in das Abenteuer von Das Chaos und Die Ordnung.


Das Leben ist sch. Der Liedtitel lässt offen, was das Leben denn wirklich ist. Schön oder scheiße, wobei man sich bei den Orsons eigentlich nur eine Möglichkeit vorstellen kann. Und die Enttäuschung tritt nicht ein.

Und schiebt auch die ganze Welt Krise,
wir bleiben die Rapband der Liebe
Rapband der Liebe, Popmusik mit Herz. Musik mit dem ganz dicken Augenzwinkern, das wirkt teilweise so durcheinander, so chaotisch, aber wenn man die vier Jungs als Solomusiker kennt, weiß man wie perfektionistisch das ganze angegangen wird. Vor allem von Tua und Maeckes. Trotzdem merkt man dieses Streben nach Perfektionismus überhaupt nicht und grade das macht den Reiz dieser Musik aus. Es ist klar, dass hinter jedem Stück ein bestimmter Gedankengang oder ein spezieller Gefühlszustand steht und sowohl Beats, als auch Flow und Texte übertragen diese Gedankenwelt, diese Emotionswellen mit einer Wucht auf den Hörer, dass man nur mitgerissen werden kann.

Beim nächsten Track wird klar, was genau ich mit Gefühlszustand meine. Nachmittag im Park versetzt einen direkt in einen Nachmittag im Spätsommer, bei angenehmen Temperatur, die Sonne scheint wärmend durch die Wipfel der vereinzelt im Park stehenden Bäume. Die ganze Clique sitzt spaßend um einen Grill, Sixpacks Bier gehen rum. Das Leben vergeht in Zeitlupe und alles fällt ab von mir. Musik zu Ende - ach shit, es ist ja doch Herbst bei lausigen 8°C.
und man entdeckt erst wenn sie weg ist,
diese eine Sekunde war die Perfekte.
Ja, das ist ein Moment, der auf Tua-Beats mit Maeckes-Flow  perfekt transportiert werden kann. Und die Atmosphäre ist so unfassbar passend, dass man sich tatsächlich in oben beschriebener Situation wiederfindet.
Außerdem ist in diesem Lied einfach der Großteil des Albumsounds zusammengefasst. Leichte Technoeinflüsse, gepitchte Stimmen und insgesamt ein interessant verträumtes Klangbild. Geil.


Aber bisher lief das doch irgendwie alles zu geordnet ab. Albumtitel verspricht Chaos. Wo ist es denn?
Ich hab's gefunden. Übertreiben Baby zeigt es. Und beim nachgucken der Lyrics auf magistrix.de musste ich schmunzeln, als der erste Part folgendermaßen überschrieben war:
"Verse alle irgendwie:"
Und beim Hören trifft es genau das auf den Punkt. Von Line zu Line wechselnde Rapper, mal zwei gleichzeitig und all solche Späßchen. Das macht schon richtig Spaß beim Zuhören, aber hab ich eigentlich schon diese unfassbaren Ohrwurmhooks erwähnt?
Sie sagen das mit uns wird nichts,
wir aber machen uns glücklich.
Das Leben ist schnell vorbei,
also lass uns übertreiben Baby!
Man muss einfach mitsingen. Also ich zumindest. Das bringt richtig, richtig gute Laune. Ich meine, das ist so typisches YOLO-Gedöns, aber ganz ehrlich, in dem Fall kann man sagen: Who-Cares? Wenn YOLO beim Zuhören so viel Bock auf diese Musik bringt, dann sei das auch entschuldigt.

Und BOOOOOOOM, der Beat burnt. Ganz anders als der davor, nicht so poppig, viel aggressiver. So klingt auch Maeckes' erster Part. Der Junge kann's einfach.
ich war mir selbst zu overhyped.
Ich scheiß auf alles, zweifel' alles an,
ich zweifle sogar an, ob ich auf alles scheiß'
doch scheiß drauf
Aber tanzen muss man trotzdem. Kaas bringt es gut auf den Punkt in einer der geilsten Hooks von diesem Album, nicht so rumgesungen, sondern viel gerappter und dadurch viel interessanter. Sie können also auch noch richtig rappen, ein Schlag in die Fresse aller "Das-ist-doch-kein-Rap-mehr"-Hater.
Dieser Beat hakt nicht, ich will dazu tanzen,
Ich will dazu bouncen
Ich will dazu Geld verdien'
Ich will dazu um die Welt fliegen
Das ist für die Heads, die Raps aus 0711 lieben! 
Spätestens mit diesem Song haben sie jeden Rapfan von ihren Skills überzeugt, die Jungs können einfach rappen, da erlaubt man ihnen auch alle anderen Popausflüge.
Und wer denkt sich überhaupt diese Songtitel aus? Zambo Kristall Merkaba. Das ist so merkwürdig, dass es nur typisch Orsons sein kann!


Zwei kleine Meisterwerke noch, um die Einzelstärken dieser großartigen Musiker hervorheben zu wollen.
Tua ist für mich einer der Großkönige des deutschen Hip Hops. Ein genialer Allroundkünstler. Meister des Fieldrecording, Ikone der atmosphärisch-dubstepangehauchten Hip Hop-Beats und textlich sowieso auf einem ganz ganz hohen Level.
Und er dann mit dem lyrisch faszinierendsten Rapper der deutschen Landschaft zusammen auf einem seiner eigenen Beats, whoa, Gänsehaut. Faszination. Pur.
Es ist 'ne 1000 Quadratkilometer Lagerhalle,
und alle Regale sind leer.
Egal was du sagst, deine Worte hallen endlos nach.
Mir wird kalt. Innerlich. Für mich ganz klar DER Hit des Albums. Mitreißend, sowohl auditiv als auch textlich. Einfühlend und treffend. Emotionen verpackt in wunderschöne Melodien, elektronische Mixturen und eine überraschend schöne Gesangsstimme.



Und schon wieder hat Tua seine Hände im Spiel, aber nur in Form einer Hook. Nicht mal den Beat dieses Tracks hat er selbst gemacht. Plan B, der bisher noch gar nicht zur Sprache kam, hat sich mal im Beatproduzieren ausprobiert. Und ja, irgendwie ist das sogar ganz geil, vor allem passt es zu Barteks Rapstil. Und er zeigt hier, dass auch er textlich was draufhat, wo er sonst irgendwie untergeht zwischen den legendären Maeckes und Tua und dem Indianer Kaas. 
Ich wollte ein paar Tage Bon Iver sein, dann Frank Ocean
Ich fahr in ein Meer rein,
Für mich eine der geilsten Lines des Albums. In diesem kurzen Intermezzo aus gesungen/geschriener Hook, die sich komplett um einen einzigen Satz dreht, und zwei sehr, sehr schönen Parts finden sich aber noch mehr lyrische Schmuckstücke.
Es ist besser wir trennen uns,
entfernen uns für immer von einander, ich fang an,
wir drehen uns beide um
und ich seh' nur dich und du siehst nur dich
Einfach anhören und in der Welt fremder Planeten gefangen nehmen lassen. Augen zu und genießen. Schönes Album.
Gute Laune-Mitsing-Tracks und emotional ansprechende Songs zusammengefasst in gut einer Stunde wirklich schönem deutschen Rap.
Mir gefällt's größtenteils sehr gut.









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